Die richtige Taktik entscheidet. Ältere Berufstätige erinnern sich: Vor dreißig Jahren entwickelte man im Verkauf immer neue PUSH-Strategien, ausgefeilte Gesprächs-Leitfäden, um Waren und Dienstleistungen zu verkaufen. Heute arbeiten wir entspannter mit SOG-Strategien. Wir machen etwas so attraktiv, so einfach, dass es gekauft wird.
Diese erfolgreiche Strategie wirkt überall. Auch im Vorstellungsgespräch. Wichtig ist die innere Einstellung. Weiß ich genau, was Personalleiter von mir erwarten, versuche ich mich einzupendeln. Ich gehe in Resonanz mit ihnen.
Sehe ich den Personaler dagegen schon vor dem Bewerbungsgespräch als meinen Feind, den ich austricksen, gegen den ich gewinnen will, kann keine Resonanz entstehen. Mein Gesprächs-Partner merkt dies sofort. Erfahrene Personalleitende sowieso. Es ist ihr Job. Einigen Sie sich mit Ihrem Ego, dass Sie die Personaler gewaltfrei überzeugen möchten.
Starten wir aber am Anfang des Bewerbungs-Prozesses:
Eine wirkungsvolle, perfekte Bewerbung zu schreiben ist nicht allzu schwer. Ohne alle im Internet angebotenen Tipps zu wiederholen, die meist richtig und gut sind, den wichtigsten:
Ändern Sie einfach eines: Ihre Perspektive. Tauschen Sie Ihre Sichtweise auf Bewerbung, Arbeitgeber, Bewerbungsschreiben, Vorstellungsgespräch.
Beispiel: Verschieben, drehen Sie sofort Ihren Blickwinkel, bevor Sie den nächsten Schritt beginnen. Spannend, wenn Sie bereits einen Entwurf haben, jetzt beide Bewerbungen miteinander vergleichen. Zuerst aus der Sichtweise des Bewerbers, danach aus dem Betrachtungswinkel des Arbeitgebers.
Sehen Sie beim Schreiben Ihre eigene Bewerbung aus der Sicht des Mitarbeitenden, der Ihre Bewerbung nach ausgewählten Kriterien vorsortiert (Link Personalleiter-Training ).
Schauen Sie durch die Brille der Junior-Personalleiterin, hören Sie Ihre eigene Stimme über die Ohren der Personaler und Abteilungsleiter, während Sie die letzten, wichtigen Stationen Ihres Lebenslaufes darstellen.
Hören Sie heraus, wie Sie selbst argumentieren, dass Sie die oder der richtige für genau diese Position sind. Bedenken Sie, dass jeder einzelne Beteiligte eine andere Sichtweise hat, mitunter weichen die Interessen, Absichten voneinander ab. Das wirkt zuerst unübersichtlich, fördert die Nervosität. Aber auch dies ändert sich durch einen Wechsel der Perspektive.
Sitzen Ihnen im Vorstellungsgespräch mehrere Mitarbeitende des Unternehmens gegenüber, kann dies ein Vorteil sein, wenn Sie Ihre feinen Antennen auf die Mimik der Mitarbeitenden ausrichten. Wie reagieren diese auf Fragen der Kolleginnen und Kollegen?
Ergeben sich Widersprüche, was die Erwartungen an Sie betrifft, ist man sich scheinbar einig oder
sehr harmonisch?
Betrachten Sie Ihre eigene Bewerbung einmal kritisch, als ob der Bewerbende eine andere Person wäre. Stellen Sie sich jemanden vor. Was sagen Sie ihm? Würden Sie dieses Bewerbungsschreiben als herausragend, bemerkenswert, gar wertvoll aus dem Stapel anderer Bewerbungen herausfischen?
Glauben Sie persönlich, was Sie im Vorstellungsgespräch alles erzählen? Wären Sie misstrauisch, wenn Sie Ihre genannten Stärken und geniale soft skills hörten. Erscheinen sie Ihnen vertraut oder wirken Ihre Aussagen fremd auf Sie? Sind Sie kein routinierter Schwindler bemerken es andere Menschen, Personal-Profis erst recht.
Lesen Sie Ihre Texte und geplante Aussagen zwei bis drei Tage nach dem Entwurf nochmals. So fallen Ihnen wenig authentische Text-Passagen sofort auf. Heute sind Sie in einer anderen Gemütsverfassung als vor zwei Tagen.
Provozieren Ihre Sätze bei Ihnen selbst bereits Widerspruch? Liegen Ihnen kritische Antworten auf der Zunge, wenn Sie ihren gut durchdachten Behauptungen lauschen?
Personalleiter sind meist so erfahren wie clever. Bewerber*innen lassen sich oftmals vom Inspector-Columbo-Effekt beeindrucken. Personaler gibt sich sehr freundlich, schafft gute Atmosphäre, wirkt naiv, damit sich Bewerber um Kopf und Kragen reden.
Bei noch so unglaubhaften Behauptungen, die der Bewerbende schon mit Mimik und Gestik selbst entlarvt, nickt er freundlich und verständnisvoll. Warum auch nicht? Der Bewerbende schießt sich gerade selbst ins AUS.
Interviewen Sie sich also stets selbst. Angefangen von der Online-Bewerbung, dem tabellarischen Lebenslauf über Ihre soft skills, persönliche Stärken und Schwächen, den Arbeitsbeispielen, Ihrer Berufserfahrung bis schlussendlich zum assessment center.
Sind Sie begeistert, sich selbst im eigenen Unternehmen zu haben? Denken Sie, dass Sie Ihrem Arbeitgeber nützlich sein können, ihn voran bringen, erfolgreicher machen als vorher?
Und wenn ja: WIE werden Sie das erreichen? Mit Hoffnung, mit Absichten und Worten oder mit Taten. Sprühen Sie tatsächlich vor Energie, sind Sie ein Blender oder gerade in einer manischen Phase. Hat der Bewerbende ein gesundes, berechtigtes Selbstbewusstsein,
ist er dummfrech oder einfach nur überheblich?
Sehen Sie sich in Gedanken, wie Sie sicher und flüssig Englisch sprechen. Am Telefon. In der Video-Konferenz verstehen Sie die europäischen Partner am Montag so gut wie die asiatischen am Mittwoch und die Amerikaner am Donnerstag. So sicher, dass Sie sich völlig auf die Gesprächsinhalte konzentrieren.
Möchten Sie mit sich selbst im assessment center Teamwork betreiben?
Bemerken Sie dabei schnell, dass Sie weniger selbstkritikfähig sind, als Sie im Bewerbungsschreiben angaben?
Sie erkennen dann auch, dass es im besten Fall suboptimal war, bei XING "sehr gute Englischkenntnisse" anzuklicken. "Das wirkt auf mein Ego immer toll, aber jetzt - vor dem Vorstellungsgespräch auf Englisch!? Nein, das macht mich jetzt nicht lockerer. Hoffentlich bemerkt es niemand, dass ich nur Level B1 habe. Englisch-Theorie. Hoffentlich sprechen wir nur kurz Englisch?"
Personalleiter im Vorstellungsgespräch ist ihr Freund! Warum? Weil Sie gemeinsam mit ihm herausfinden möchten, ob Sie zum Unternehmen passen und das Unternehmen zu Ihnen. Dass das Unternehmen zu Ihnen passt, haben Sie durch gründliche Recherche bereits herausgefunden. Deshalb wollen Sie unbedingt, dass die Mitarbeitenden dort sich für Sie entscheiden.
Manchen Menschen fällt es schwer, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Es ist auch ohne Studium möglich und einen versuch wert. Ändern Sie Ihre Sichtweise, kann das Vorstellungsgespräch angenehm und entspannt verlaufen. Selbstverständlich ist auch hierfür vorherige Übung und Training nötig.